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Turbo-Zertifikate im Visier – BaFin plant neue Produktintervention

Von Renate Prinz | Dr. Cornelius Hille am 02. Juni, 2025

Veröffentlicht In Finanzdienstleistungen, Finanzinstrumente, Verbraucherschutz

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat bekannt gegeben, dass sie den Handel mit sog. „Turbo-Zertifikaten“, also MiFID-Schuldverschreibungen, die die Wertentwicklung eines Basiswerts gehebelt abbilden und bei Erreichen einer festgelegten Knock-Out-Schwelle unmittelbar verfallen, im Wege einer Produktintervention einschränken möchte.

Hintergrund dessen ist der Verbraucherschutz, für den die BaFin im vorliegenden Fall gleich „erhebliche Bedenken“ ausgemacht hat. Dabei stützt sie sich auf eine von ihr selbst erstellte Untersuchung (der aufsichtsrechtlichen Pflichtmeldungen) des zugehörigen Markts für den Zeitraum 2019 bis 2023. Demnach würden ca. 75 Prozent der Kleinanleger beim Erwerb von Turbo-Zertifikaten Verluste erleiden, die sich durchschnittlich auf ca. EUR 6.300,- pro Anleger verteilten und für den beobachteten Zeitraum insgesamt ca. EUR 3,4 Mrd. betragen hätten. Die Wertpapieraufsicht der BaFin sieht den Handel mit Turbo-Zertifikaten allein dadurch bereits „näher am Glücksspiel als an langfristiger Vermögensanlage“ (Thorsten Pötzsch, BaFin).

Um dem entgegenzutreten, hat die BaFin drei konkrete Maßnahmen im Entwurf einer Allgemeinverfügung vorgesehen:

  1. Standardisierte Risikowarnung

Jede Mitteilung zu Vermarktung/Vertrieb/Verkauf von Turbo-Zertifikaten soll zukünftig eine standardisierte Risikowarnung enthalten, die explizit darauf hinweist, dass sieben von zehn Kleinanlegern bei einer Anlage in Turbo-Zertifikate Verluste erleiden.

  1. Keine Vorteile

Es sollen zukünftig weder monetäre noch nicht-monetäre Vorteile (insbesondere keine Reduzierung von Gebühren, kein Neukundenbonus, keine Geschenke) als Anreiz für eine Anlage in Turbo-Zertifikaten angeboten werden.

  1. Erweiterte Angemessenheitsprüfung

Kleinanleger, die Turbo-Zertifikate erwerben möchten, sollen zukünftig eine erweiterte Angemessenheitsprüfung durchführen müssen, die ihnen einerseits wesentliche Eigenschaften der Turbo-Zertifikate vermittelt und andererseits mindestens sechs zutreffend zu beantwortende Fragen zu Turbo-Zertifikaten vorsieht. Dieser Test soll alle sechs Monate wiederholt werden müssen.

Die BaFin will damit insgesamt ein angemessenes und einheitliches Schutzniveau für alle Kleinanleger herstellen.

Es ist erfreulich, dass man hier nicht gleich zum Äußersten greift und (noch) kein Verbot des Erwerbs von Turbo-Zertifikaten durch Kleinanleger erlassen hat bzw. dies beabsichtigt. Überraschend ist, dass die BaFin diese Produkte grundsätzlich in die Nähe von „Glücksspiel“ stellt. Dass Turbo-Zertifikate zur kontrollierten Absicherung eines Gesamtdepots tatsächlich der langfristigen Vermögensanlage nützen können, findet im Entwurf keine angemessene Berücksichtigung. Je nach Marktlage lassen sich durch verhältnismäßig günstige Turbo-Zertifikate auch sorgsam aufgebaute Altersvorsorge-Depots gezielt und risikobewusst absichern. Die BaFin kommt hingegen in ihrer eigenen Untersuchung zu dem Schluss, dass es keine Hinweise auf eine Nutzung von Turbo-Zertifikaten als Absicherungsinstrument von Kleinanlegern geben würde. Dies scheint vor allem darauf zu fußen, dass mehr long- als short-Positionen identifiziert wurden.

Der Erfolg der beabsichtigten Maßnahmen ist noch unklar. Nachdem die BaFin früher bereits (und dort noch invasiver) in Bezug auf etwa Contracts-For-Difference (CFDs) vorgegangen ist, wäre eine Untersuchung dahingehend, inwiefern die dort bereits ergriffenen Maßnahmen einen verbraucherschützenden Effekt erzielt haben, wünschenswert. Daraus ließen sich besonders Rückschlüsse auf die Erfolgsaussichten der neuen Produktintervention betreffend Turbo-Zertifikate ziehen.

Wer wirklich Turbo-Zertifikate erwerben möchte, wird sich weder von Hinweisen auf Verlustrisiken noch vom neu geschaffenen, zusätzlichen bürokratischen Aufwand abbringen lassen. Dann wären die

Maßnahmen letztlich eine unnötige Belastung – insbesondere der adressierten Intermediäre, Emittenten und Anbieter, aber eben auch der Kleinanleger.

Die Anhörung der BaFin zur Produktintervention ist hier auf der Website der BaFin zugänglich.

Die BaFin-Studie zum Vertrieb von Turbo-Zertifikaten an deutsche Kleinanlegerinnen und Kleinanleger ist hier auf der Website der BaFin abrufbar.

Renate Prinz

Renate Prinz ist spezialisiert auf allgemeine gesellschaftsrechtliche Beratung, nationale und internationale Unternehmenskäufe und -verkäufe sowie interne Restrukturierungsmaßnahmen. Sie berät zudem an der Schnittstelle zu finanzaufsichtsrechtlichen Aspekten, insbesondere im Zusammenhang mit Unternehmenstransaktionen, Genehmigungsverfahren und laufenden regulatorischen Fragen. Renate Prinz ist erfahren in der Beratung von in- und ausländischen Kapitalanlagegesellschaften, Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten sowie FinTechs zu allen Aspekten des Gesellschaftsrechts und des deutschen und europäischen Finanzaufsichtsrechts. Darüber hinaus publiziert sie regelmäßig Beiträge im Gesellschafts- und Finanzaufsichtsrecht.


Dr. Cornelius Hille

Dr. Cornelius Hille berät nationale und internationale Mandanten der Finanzindustrie (etwa Kreditinstitute, Wertpapierfirmen und Fonds) zu allen Belangen des deutschen und europäischen Finanzaufsichtsrechts. Dies umfasst unter anderem Erlaubnisfragen, Strukturierung und allgemeine aufsichtsrechtliche Compliance bezüglich klassischer und innovativer Geschäftsmodelle, einschließlich der Digitalisierung der Finanzmärkte.

Ein Schwerpunkt seiner Beratung ist Geldwäscheprävention (Anti-Money Laundering/AML) und die zugehörige Compliance.

Er veröffentlicht regelmäßig zu den Themenfeldern Finanzaufsichtsrecht und AML in juristischen Fachzeitschriften.

Vor seiner Tätigkeit bei McDermott war Cornelius Hille für eine andere internationale Großkanzlei im Bereich Finanzaufsichtsrecht tätig.

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